Wie Düfte unser Leben beeinflussen können
Vera Matt, Paar-Therapeutin aus Berlin, spricht mit uns über guten, schlechten und echten Geruch in engen Beziehungen und darüber, wie unsere Nase die Partnerschaft beeinflusst.
Von wegen schöne Augen und innere Werte: Angeblich ist es für die Partnerwahl entscheidend, dass wir den anderen „gut riechen“ können. Stimmt das?
Vera Matt (VM): Machen wir zunächst einen Ausflug ins Tierreich: Statt zu fragen, ‚wie geht’s?’, wenn sie sich zum ersten Mal begegnen, beschnüffeln Hunde einander. Diese Kontaktaufnahme dient der sozialen Kommunikation und der richtigen Wahl eines Partners. Wir Menschen machen das subtiler, aber auch wir verströmen Pheromone, also Botenstoffe mit Signalwirkung. Deren unbewusster Wirkung können wir uns nicht entziehen. Sie lässt uns den besten Partner finden, um gesunden Nachwuchs zu zeugen: Der andere darf uns genetisch nicht zu ähnlich sein, aber auch nicht zu gegensätzlich, sondern sollte idealerweise nur über eine deutlich andere genetische Ausstattung verfügen als wir selbst. Das sorgt dann bei Kindern für ein starkes Immunsystem.
Wir gehen also eine Beziehung nicht selbstbestimmt ein, sondern auf der Basis archaischer Programme der Arterhaltung?
VM: Es ist nur eine Disposition, die freie Entscheidung haben wir jederzeit. Wir erschweren uns diese aber selbst: Wir übertünchen unseren Eigengeruch mit Parfüms, Waschmitteln, Haarspray oder Cremes. Unser Alltag ist künstlich aromatisiert. Solche Düfte auf der Haut sorgen für eine Geruchs-Tarnkappe, wir können von einem potentiellen Partner nicht mehr richtig eingeordnet werden.
Und wozu führt das?
VM: Unser Geruch erinnert den anderen dann vielleicht an den Ex-Freund, die Mutter, die heimlich bewunderte Klassenkameradin – lauter Assoziationen, die aber nichts mit dem Menschen zu tun haben, der vor einem steht. Und später wundern wir uns dann, dass wir nicht zusammen passen. Vermeiden lässt sich das mit Düften auf der Basis reiner ätherischer Öle. Sie verfälschen unseren eigenen Duft nicht, sondern betonen ihn sogar.
Die Nase hat eine direkte Verbindung zum Gehirn und dort zu Bereichen, die für Erinnerungen und Emotionen zuständig sind. Wie wirkt sich das darauf aus, in wen wir uns verlieben – und in wen nicht?
VM: Das ist je nach Prägung verschieden. Wenn ich selbst Apfelkuchen rieche, denke ich an meine Oma, bei Oleander an das Kroatien aus dem Familienurlaub. Viele Leute lieben Vanille, was ja heute oft in Babyprodukten steckt; es ist süß und lässt einen das verlorene Paradies zurückersehnen – was man unbewusst womöglich im anderen sucht. Wählt jemand seinen Partner verstandesorientiert aus, achtet er vielleicht mehr darauf, dass dieser volle, blonde Haare hat, 1,80 Meter groß und Akademiker ist. Letztendlich entscheidet eine Mischung aus bewussten und unbewussten Anteilen und der Anziehungskraft des gegenteiligen Immunsystems darüber, in wen wir uns verlieben.
Was man am anderen „nicht riechen“ kann, also nicht mag, merkt man oft erst später. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Frischverliebte eine schwächere Geruchswahrnehmung haben.
VM: Bei frisch Verliebten sind dieselben Hirnareale aktiv wie bei einem akuten Anfall von Wahn. Die Außenwelt wird ausgeblendet. Wenn dann die Bindungsphase beginnt, kommt man wieder in der Realität an und fragt sich: Wer bin ich, was ist mir wichtig? Man stellt sich neu auf, jetzt in Verbindung mit dem anderen. Das ist der Moment, wo man wieder differenziert riechen kann. Jetzt zeigt sich, ob die Beziehung tragfähig ist.
Unser Alltag ist künstlich aromatisiert. Solche Düfte auf der Haut sorgen für eine Geruchs-Tarnkappe
Vera Matt
Wie geht man in einer bestehenden Beziehung damit um, wenn der andere plötzlich schlecht riecht?
VM: Hier stellt sich zunächst die Frage, ob er jemals gut gerochen hat oder ob es nur in meiner Wahrnehmung so war. Wichtig ist, es offen und ehrlich, aber so sanft wie möglich anzusprechen. Liebe und Humor helfen, Ratschläge sollte man nicht erteilen, das sind eben immer Schläge. Oft reicht es schon zu sagen: ‚Du hast Mundgeruch’, den anderen dabei lieb anzuschauen und bei der Hand zu nehmen. Er wird dann schon Abhilfe schaffen.
Kommen Paare deshalb zu Ihnen in die Praxis?
VM: Immer wieder. Schlechter Geruch kann zu einer Schieflage in der Partnerschaft führen und viele Ursachen haben, von einer einseitigen Ernährung bis hin zu Bewegungsmangel. Manchmal denken die Menschen nicht daran, den möglichen Grund ärztlich abklären zu lassen. Kürzlich war ein Paar bei mir, das darunter litt, dass der Mann auf einmal einen unangenehmen Geruch verströmte. Es stellte sich heraus, dass er seit kurzem Blutdrucksenker nahm, was seinen Körpergeruch verändert hat.
Was sagt es über Paare aus, wenn sie sich im übertragenen Sinne nicht mehr „riechen“ können?
VM: Gut möglich, dass eine Trennung ansteht. Wenn ich jemand nicht riechen kann, dann hat das schon etwas sehr Grundlegendes. Es ist eine Geste der Ablehnung, die zeigt, dass ich den anderen gar nicht mehr in seiner Eigenart erkennen möchte.
Wozu raten Sie, wenn beide die Beziehung retten wollen?
VM: Als Therapeutin würde ich dann besonders auch auf die Körpersprache achten: Gibt es im Gespräch synchrone Bewegungen, verändern beide ihre Körperhaltungen im selben Moment, atmen sie im ähnlichen Rhythmus, lachen sie über Scherzversuche des anderen, kurzum, schwingen diese zwei Menschen noch miteinander? Ist also noch eine Basis vorhanden? Gemeinsame Aktivitäten können helfen – tanzen gehen, gute Literatur zusammen lesen, gutes Essen genießen, Jahresfeste und Rituale feiern und sich darüber austauschen. Über die Pflege der anderen Sinne kann man so den Gleichklang wieder herstellen.
Wieviel Projektion steckt darin, wenn ich den anderen nicht mehr „riechen“ kann? Wieviel hat es also mit mir selbst tun?
VM: Vermutlich eine Menge. Bin ich unzufrieden, projiziere ich meine Unzulänglichkeiten auf den anderen. Eine feste Beziehung hat dann nichts – mehr – mit animalischen Instinkten wie Riechen zu tun, sondern damit, mit dem anderen in einen Erkenntnis- und Wachstumsprozess zu gehen. Dann kann man sich auch über den unangenehmen Geruch hinwegsetzen. Eine Klientin von mir nannte eine solche Haltung, wenn auch in einem anderem Zusammenhang, ‚Verzeihlichkeit’. Das finde ich sehr schön. Dazu gehört, sich selbst gegenüber nachsichtig sein zu können – und zu merken, wo ich eigene ungeliebte Anteile auf den anderen projiziere. Nicht der andere ist schuld an meinem Unglück und muss sich ändern. Es geht um meine eigene Einstellung. Der andere ist der härteste Lehrmeister, der mir spiegelt, wo es bei mir selbst knirscht.
Natürliche Düfte
Die Augen schließen, einen Duft einatmen und ihn auf sich wirken lassen. Düfte lösen in uns etwas ganz Besonderes aus, sie wecken die Vorstellungskraft und sind an Emotionen geknüpft.