Was wir über den Zustand der Böden wissen sollten
Menschen, Tiere und Pflanzen sind darauf angewiesen, dass der Boden gesund ist
Böden sind die Grundlage unserer Landwirtschaft. Agronom, Bauernhofpädagoge und Boden-Experte Dr. Ulrich Hampl erklärt, was kleinste Lebewesen mit der Bodengesundheit zu tun haben. Und wie auch das ungeschulte Auge einen gesunden, humusreichen Boden erkennt.
Wenn man übers Land fährt, fällt einem auf, wie viele Äcker einfach so da liegen, dunkel und unbepflanzt. Ist das typisch im Winter?
Ulrich Hampl: Leider, ja. Der Boden sollte stets begrünt sein. Im Winter durch Winterbepflanzungen. Mir tut es immer im Herzen weh, wenn ich durch die Gegend fahre und diese braunen Äcker sehe. Das sind offene Wunden für das Ökosystem.
Sie beschäftigen sich seit dreißig Jahren mit dem gesunden Boden. Können Sie uns erklären, was ein Boden braucht, damit es ihm gut geht?
UH: Ganz einfach gesagt: Er braucht Pflanzen, die darauf wachsen. Pflanzen sind für den gesunden Boden genauso wie für uns und für alle Tiere Nahrung. In der Natur, die nicht von Menschen bewirtschaftet ist, gibt es keinen offenen Boden. Diese Böden sind immer bewachsen.
Die braunen Äcker im Winter sind offene Wunden für das Ökosystem!
Kann ich beim reinen Anblick einer Landschaft etwas über den Zustand der Böden erkennen, auch ohne Fachkenntnisse?
UH: Ja, etwa indem ich die Landschaft mit den Augen einer Biene betrachte, die auf Blütensuche ist. Da erkenne ich ganz schnell, welche Landschaft vielfältig ist und etwas hergibt – und welche nicht.
Großflächig bewirtschaftete Landschaften wirken oft monoton, selbst dann, wenn alles wächst und grünt.
UH: Das ist so, weil in unseren grünen Gegenden oft überhaupt keine Kleepflanzen und Kräuter mehr wachsen. Stattdessen nur noch Gras, das mit Gülle oder Stickstoff gedüngt wächst und die Kühe ernährt. Aber nicht all die anderen Tiere über und in der Erde.
Sichtbare Einöde bedeutet also auch unterirdische Einöde?
UH: Ja. Denn wenige verschiedene Pflanzen mit ihren jeweiligen Wurzeln bedeutet wenig Ernährung für Bodenlebewesen. Auch unter dem Mikroskop sieht man das deutlich. In Böden, die nur einseitig bewirtschaftet werden, ist viel weniger Artenvielfalt als in vielseitig bewirtschafteten.
Das Leben im Boden verhungert also sozusagen.
UH: Genau, denn es braucht wie wir energiereiche Nahrung. Ich sage den Bauern immer: Auch wenn ihr keinen Stall habt, müsst ihr Futterbau für Tiere machen. Nämlich für eure unterirdischen Tiere, für das Bodenleben.
Wie konkret ernähren Pflanzen das Leben im gesunden Boden? Wie geht das vor sich?
UH: Mit ihren Blättern wandeln die Pflanzen Sonnenlicht zusammen in Energie um. Zusammen mit Kohlendioxyd und Wasser – die Photosynthese. Über ihre Wurzeln geben sie diese Stoffe an das Bodenleben ab.
Der Humusgehalt im Boden ist ein wichtiger Messwert für die Gesundheit. In den letzten Jahrzehnten ist er zurückgegangen.
Wie geht das konkret?
UH: Sie geben energiereiche Wurzelausscheidungen ab und bilden ständig Feinwurzeln, die sie als Futter für Bodentiere abstoßen. Wir müssen dafür sorgen, dass Pflanzenwurzeln im Boden sind und das Bodenleben in seiner Vielfalt ernährt wird.
Lässt sich messen, wie gut es einem Boden geht?
UH: Der Humusgehalt ist ein wichtiger Messwert. In den letzten Jahrzehnten ist er zurückgegangen. In den Ackerböden ist er sogar bereits sehr niedrig. Das hat eine Humuserfassung des deutschen Landwirtschaftsministeriums gezeigt. Landwirten empfehle ich zur Beurteilung die altbewährte Spatendiagnose. Ein gesunder Boden hat viel Bodenleben, und dieses macht gut erkennbare Krümelstruktur.
Warum hat sich in der Landwirtschaft Einöde durchgesetzt?
UH: Kurz zusammengefasst: Weil die Nahrung billig sein muss. Und das kann sie nur, wenn sie in großen Mengen angebaut wird. Mit mineralischem Dünger und sogenannten Pflanzenschutzmitteln. Die Konsequenz und die Kehrseite davon sind, dass es nur noch relativ wenige Hauptkulturen gibt. Nämlich Weizen, Zuckerrüben, Mais und Gerste. Und auch da immer weniger Arten, Sorten und Mischkulturen. Der Boden reagiert mit starkem Unkrautbewuchs auf diese Einfalt. Dagegen werden Herbizide eingesetzt. Mit dieser Anbauweise kann man Massenerträge erzeugen – oder konnte man. Denn wie gesagt: Es wird langsam schwieriger.
Was macht das auf die Dauer mit den Böden?
UH: Die Böden verlieren immer mehr Humus. Das ist in vielfacher Hinsicht schlecht, denn Humus schützt zum Beispiel vor Erosion. Das wird wegen des Klimawandels immer bedeutender, denn starke Niederschläge werden zunehmen. Sie schwemmen Boden ab. Humusreicher Boden ist aber nicht nur stabiler, er kann auch besser Wasser speichern. Das ist bei anhaltender Trockenheit wiederum sehr wichtig.
Es gibt immer weniger Landwirte. So bewirtschaften diejenigen, die noch da sind, immer größere Flächen.
Lange Phasen von Trockenheit sind eine der gefährlichen Veränderungen durch den Klimawandel. Sie und die Starkniederschläge werden unsere Landwirtschaft vor große Herausforderungen stellen. Glücklich also, wessen Boden humusreich ist?
UH: Definitiv. Der Boden braucht Lebendigkeit und stabile Strukturen, damit er wie ein Schwamm Wasser aufnehmen und speichern kann. Mit einer stabilen Schwammstruktur kann ein Boden sowohl mit nassen wie mit trockenen Verhältnissen wesentlich flexibler umgehen. Rückmeldungen, die wir nach der langen Trockenheit im Jahr 2018 erhalten haben, bestätigten das.
Auch der Einsatz von schweren landwirtschaftlichen Maschinen setzt dem Humus zu. Durch das Gewicht wird der Boden verdichtet. Warum sind diese Maschinen so groß und schwer geworden?
UH: Weil es immer weniger Landwirte gibt. So bewirtschaften diejenigen, die noch da sind, immer größere Flächen. Da kommen – es ist ja verständlich – größere Maschinen zum Einsatz. Die Verdichtung des Bodens, die daraus resultiert, ist tatsächlich ein zusätzliches großes Problem.
Wie kommen wir aus all dem wieder raus?
UH: Ökolandbau! (lacht) Ich bin immer sehr enttäuscht, wenn das in der Politik nicht deutlich gesagt wird. Denn die biologische Landwirtschaft hat ja auf all diese Fragen schon seit Jahrzehnten Antworten. Sie ist die Landwirtschaft, die auf chemisch-synthetische Hilfsmittel verzichtet. Was im Umkehrschluss heißt: Sie muss dafür sorgen, dass der Boden aus sich heraus Erträge liefert. Deshalb kümmert man sich in der Biolandwirtschaft eben um die Bodenfruchtbarkeit. Und das heißt: Vielfalt! Also idealerweise Fruchtfolgen nicht nur mit drei, sondern mit etwa sieben Kulturen, die man in zeitlicher Folge nacheinander anbaut. Dazu gehören Zwischenfruchtbau und Gründüngungen, um die Artenvielfalt auf den Äckern auch aktiv herzustellen und zu unterstützen. Dazu gehört auch das Tolerieren eines gewissen Beikrautbewuchses, natürlichen Pflanzen also, die mit den Hauptkulturen mitwachsen.
Ist das ein Plädoyer dafür, die despektierlich als «Unkraut» benannten Pflanzen stehen zu lassen?
UH: Es bedarf freilich der Kunst des Ackerbauers, Hauptkultur und Beikrautbewuchs in Balance zu halten. Und zwar so, dass er von der Hauptkultur genügend Ernte bekommt.
Was ist außerdem gut für den Boden?
UH: Möglichst eine Kombination mit Tierhaltung. Futterpflanzen haben starke, tiefe Wurzeln. Gleichzeitig kann man über den organischen Dünger dann auch wieder den Humusgehalt im Boden erhalten. Im Biolandbau ist dieses Bewusstsein vorhanden.
Biodynamischer Anbau verwendet zusätzlich Präparate für den Boden. Sind diese Böden also nochmals besser dran?
UH: Demeter-Landwirte würden sagen: Selbstverständlich! (lacht) Tatsächlich setzen sie in verschiedenen Belangen zur biologischen Landwirtschaft noch etwas oben drauf. Etwa mit den biologisch-dynamischen Präparaten. Die sollen helfen, die Wachstumskräfte und das Bodenleben zu unterstützen und alle diese Prozesse im gesunden Boden zu harmonisieren. Ein Hauptpräparat ist der Hornmist. Ferner gibt es den Hornkiesel, der die Reifekräfte aus der Sonne unterstützt, um es vereinfacht zu sagen. Schließlich gibt es die Kompostpräparate. Die helfen, die organischen Dünger so harmonisch zu gestalten, dass auch sie dem Boden möglichst gut tun.
Eigentlich müssten auf Produkte aus konventioneller Landwirtschaft jene Kosten draufgeschlagen werden, die wir alle wegen des Nitrats im Trinkwasser haben.
Essen ist bei uns immer unbeschränkt verfügbar und die Preise sind stabil. Gibt es dennoch Anzeichen, die auch Laien erkennen lassen, dass es den Böden zunehmend schlechter geht?
UH: Das ist eine sehr gute Frage. Ernteausfälle führen zurzeit tatsächlich noch nicht zu höheren Preisen bei uns. So weit sind wir noch nicht. Und von der Kostenwahrheit sind wir bei der Nahrung ohnehin noch ganz weit entfernt. Eigentlich müssten auf Produkte aus konventioneller Landwirtschaft ja etwa jene Kosten draufgeschlagen werden. Weil wir dank ihnen Nitrat im Trinkwasser haben. Oder wegen den Pestiziden, die unsere Gesundheit gefährden können. Wer darum weiß, sollte es ansprechen und Bewusstsein schaffen.
Der Bodenfruchtbarkeitsfonds
Auch in der Biolandwirtschaft sind die Bauern oft so unter Druck, dass der Boden zu kurz kommt. Mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds der Bio-Stiftung Schweiz erhalten 30 Demeter- und Bio-Höfe in der Bodenseeregion die finanziellen Mittel und eine Fachbegleitung. Und damit den Freiraum, um sich endlich so um den Boden zu kümmern, wie sie es eigentlich möchten. Reger Austausch unter den Teilnehmenden, unter anderem durch Fachtage, sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit sind weitere Ziele. Nach einer ersten Pilotphase kann der Bodenfruchtbarkeitsfonds bis 2024 weitermachen.
Dr. Ulrich Hampl
Agronom
Der Agronom und Bauernhofpädagoge Dr. Ulrich Hampl ist einer von vier Projektleitern der Bio-Stiftung Schweiz.