Die Bedeutung von Bodenfruchtbarkeit und Bodengesundheit
Warum der Boden eine endliche, kostbare Ressource ist, die wir schützen sollten
Über Jahrmillionen hat sich auf unserem Planeten ein lebendiges Bodenökosystem gebildet. Myriaden von Lebewesen sind in den Kohlenstoffkreislauf eingebunden und erhalten die Bodenfruchtbarkeit. Doch der Boden ist bedroht und braucht Unterstützung.
Was leistet der Boden für Mensch und Natur?
Gesunde Böden liefern Nährstoffe und bilden die Basis für unsere Nahrungsmittelproduktion. Ihre Qualität und Fruchtbarkeit bestimmen den Ertrag von Obst, Gemüse und Getreide. Und auch die Pflanzen, die wir für medizinische oder kosmetische Zwecke einsetzen, können ohne gesunden Boden nicht gedeihen.
Boden filtert Wasser, bindet Schadstoffe und sorgt für sauberes Trinkwasser. Er ermöglicht, dass Wasser versickern kann und saugt Regenwasser wie ein Schwamm auf. Intakter Boden kann die vielfache Menge seines Eigengewichts an Wasser speichern. Seine Aufnahmefähigkeit verhindert Überschwemmungen und Dürren.
Wie sich Boden und Klima beeinflussen
Gesunde Böden sind ein wichtiger Faktor für den Klimaschutz. Denn Schätzungen zufolge lagern weltweit rund 2.700 Gigatonnen Kohlenstoff im Boden. Das ist mehr als in der Atmosphäre und der gesamten lebenden Biomasse zusammen. Böden speichern Kohlenstoff in Humus, Torf, Bodensedimenten und Mineralien. Nach den Ozeanen sind sie die größte Kohlenstoffsenke. Abermillionen von Bodenlebewesen arbeiten pflanzlich gebundenen Kohlenstoff zu Humus um: Organisches, dunkelbraun gefärbtes Material, das zu gut 50 Prozent aus Kohlenstoff besteht.
Das weltweite Potenzial der Böden zur Kohlenstoffspeicherung wird auf zwei bis fünf Milliarden zusätzliche Tonnen CO2 pro Jahr geschätzt. Allein durch eine nachhaltige Bodenbearbeitung könnten mehrere Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden.
Böden sind die Grundlage unserer Existenz
Böden regulieren Stoff- und Energiekreisläufe, produzieren Nahrungs- und Futtermittel, dienen als Baugrund, enthalten Rohstoffe und speichern Informationen der Natur- und Kulturgeschichte. Böden gehören zu den kostbarsten und schützenswertesten Gütern der Menschheit. Sie sind die Grundlage unserer Existenz. Im Alltag entzieht sich der Boden unserer Beachtung. Und doch tobt in ihm das Leben.
Kreislauf des Lebens
Humusbildung heißt der permanente Verwandlungsprozess im Boden. Er ist der Schlüssel zu einem gesunden Boden, der die Kraft hat, fruchtbarer zu werden, wenn das Nahrungsnetz aus kleinen und kleinsten Spezialisten zusammenwirkt. Während sie im Boden zersetzen und mischen, bilden sie mit Tonmineralien dreidimensionale Strukturen, sog. Ton-Humus-Komplexe, mit vielen Poren, Gängen und Hohlräumen für Luft und Wasser. So haben alle Lebewesen im Boden genügend Luft zum Atmen und Pflanzenwurzeln finden Wasser und Platz zum Wachsen. Ton-Humus-Komplexe halten den Boden feucht, machen ihn lockerer und gleichzeitig stabiler.
Humusreiche Böden sind widerstandsfähiger gegen Wind- und Wassererosion, Wetterextreme und die Widrigkeiten des Klimawandels. Vieles spricht dafür, die vielen unterschiedlichen Lebewesen der Unterwelt zu hegen und zu pflegen, ihnen Zeit und geeignete Nahrung zu geben, um ihre wertvolle Arbeit zu unterstützen.
- 1/4 bis zu 1/3 aller Organismen unseres Planeten leben im Boden.
- 40 bis 60 Prozent des Bodenvolumens kann das Hohlraumsystem ausmachen.
- 400 senkrechte Röhren können auf einem gut mit Regenwürmern besiedelten Quadratmeter Boden vorhanden sein – macht mehr als 1000 Kilometer Länge aus.
Bodenleben: überraschend vielfältig
Eine Handvoll Boden ist eine Handvoll Leben. Nirgendwo ist das Leben so dicht gedrängt. Bis auf einige Regenwürmer, Schnecken und Käfer bekommen wir die allermeisten Lebewesen allerdings kaum jemals zu Gesicht. Und doch steckt im Boden eine gewaltige Artenvielfalt. Wissenschaftler haben die einzelnen Organismen im Boden gezählt und festgestellt, dass die Biodiversität nirgendwo größer ist als im Erdreich. Unzählige Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen sind hier am Werk und verwandeln totes organisches Material in Humus. Sie tragen zu einem gesunden, produktiven Ökosystem bei. Alleine in einem Kubikmeter gesundem Boden, also einem Würfel mit einer Kantenlänge von einem Meter, können mehr als 5.000 Milliarden Lebewesen vorkommen. Im Vergleich dazu: Auf der Erde leben 7,8 Milliarden Menschen.
Die Biodiversität in der Erde ist noch wenig erforscht. Bekannt ist, dass pflanzliche und tierische Mikroorganismen die häufigsten unterirdischen Bewohner sind. In einem Gramm Boden können 100 Millionen Bakterien mit 4.000 bis 7.000 unterschiedlichen Arten leben. Sie zersetzen zusammen mit Pilzen und Algen komplexe Verbindungen, wie Eiweiß, Zellulose oder Lignin, in neue Nährstoffe, die den Pflanzen wiederum zur Verfügung stehen – ein eigenes kleines Universum aus komplexen Nahrungsbeziehungen.
Wie Regenwürmer für fruchtbaren Boden sorgen
Regenwürmer haben eine Schlüsselfunktion für die Bodenfruchtbarkeit. Als Wanderer zwischen den Schichten graben sie metertiefe, mit ihrem Schleim stabilisierte Röhren in den Boden, die bis hinunter zum Ausgangsgestein reichen können. In ihre Hohlräume strömen Luft und Wasser, Pflanzenwurzeln finden ihren Weg. Über das Röhrensystem verfrachten sie Pflanzenreste unter die Erde in tiefere Bodenschichten, so dass auch hier der Humusgehalt steigt. Regenwürmer graben den Boden regelrecht um, lockern verdichteten Boden auf und durchlüften ihn. Feiner als jedes Ackergerät vermischen sie Pflanzenreste und Bodenpartikel. Außerdem verdauen Regenwürmer alles, was sich in der Erde befindet. In ihrem Darm wird organisches Material mit mineralischen Bestandteilen und Mikroorganismen verbunden. Verdauungsprodukt ist das, was Gärtner so schätzen und Pflanzen brauchen: Ton-Humus-Komplexe, angereichert mit wichtigen Pflanzennährstoffen, wie Stickstoff, Magnesium und Phosphor.
Bei aller Vielfalt gilt: Boden ist eine endliche, kostbare Ressource. Die Bildung von fünf Zentimetern Boden kann 1.000 Jahre dauern. Nur fruchtbarer Boden kann uns langfristig ernähren und der Natur als Lebensgrundlage dienen.
In 1 Quadratmeter Boden mit einer Tiefe von 30 Zentimetern können folgende Organismen vorkommen:
- 60.000.000.000.000 Bakterien
- 1.000.000.000 Pilze
- 500.000.000 Einzeller
- 10.000.000 Fadenwürmer
- 1.000.000 Algen
- 150.000 Milben
- 100.000 Springschwänze
- 25.000 Weiße Ringelwürmer
- 200 Regenwürmer
- 200 Fliegenlarven
- 150 Tausendfüßler
- 100 Käfer
- 50 Asseln
- 50 Spinnen
- 50 Schnecken
Gesunder Boden: Klimaschutz im Untergrund
Boden und Klima beeinflussen sich gegenseitig. Man geht davon aus, dass durch den Klimawandel die Abbauprozesse im Boden beschleunigt werden, wodurch CO2 verstärkt aus dem Boden austritt. Zur Folge hätte dies eine positive Rückkopplung zwischen Klimaerwärmung und CO2-Freisetzung. Allerdings hängt die Aktivität der Bodenorganismen von vielen weiteren Faktoren ab, wie der Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit, was Voraussagen schwierig macht. Offensichtlich ist aber, dass gesunde Böden CO2 besser speichern können – für das Erreichen der Klimaschutzziele vorteilhaft.
Doch Pestizide, Kunstdünger und zu schwere landwirtschaftliche Geräte schaden dem Boden – er setzt tonnenweise klimaschädliche Gase frei. Durch die intensive Bearbeitung werden die Ton-Humus-Komplexe aufgebrochen, die darin enthaltene organische Substanz verfügbar gemacht und abgebaut. Zusätzlich gelangt mehr Sauerstoff in die Erde, was die Bodenmikroorganismen anregt. Sie werden aktiver und verarbeiten den wertvollen Humus unwiederbringlich zu CO2. Das passiert auch, wenn der Grundwasserspiegel von feuchten Wiesen abgesenkt wird, um Ackerland zu gewinnen. Schnell bauen Mikroorganismen die Kohlenstoffvorräte ab.
Geschätzte weltweite Kohlenstoff-Vorräte:
- 38.000 Milliarden Tonnen in den Ozeanen.
- 2.700 Milliarden Tonnen im Boden.
- 780 Milliarden Tonnen in der Atmosphäre.
- 575 Milliarden Tonnen in der Vegetation.
31 Prozent der Klimagasemissionen schreibt der Weltklimarat IPCC direkt der Landwirtschaft und veränderter Landnutzung zu.
Zur aktuellen Situation: Bedrohter Boden
Auf den ersten Blick macht eine Handvoll Erde nicht viel her. Braune Bröckchen, ein paar Steine, vielleicht Wurzelreste und, wenn man Glück hat, ringelt sich ein Regenwurm darin. Wie geht es dem Boden eigentlich – dem Zuhause für Bakterien, Käfer und etliche andere Lebewesen?
Wie gesund ist der Boden?
Um das beurteilen zu können, stellt sich die Frage, was Regenwürmer und all die anderen Schwerstarbeiter unter der Erde für ein gutes Leben brauchen. Zuallererst benötigen sie rund ums Jahr etwas zu essen: Pflanzen, Pflanzenreste oder auch kompostierten Mist mögen sie gerne. Was sie nicht mögen, sind Gifte und, wenn ihr Haus auf den Kopf gestellt oder zerdrückt wird. Beim Pflügen können die vertikal angeordneten Schichten durcheinandergeraten. An der Oberfläche fehlt plötzlich die Nahrung, so dass Streuzersetzer, wie Schnecken, Hundertfüßern, Käfern und Asseln, verhungern.
In Deutschland gibt es ungefähr 46 Regenwurmarten. Auf intensiv bewirtschafteten Äckern sind nur wenige Arten aktiv. Mit einem blanken, aufgeräumten Boden kommen sie grundsätzlich nicht zurecht, sei es im Garten oder auf dem Acker. Ihre zentrale Aufgabe als Bodenbelüfter und Hochwasserschützer können sie dann nicht mehr wahrnehmen.
- 45 Prozent der europäischen Böden zeigen Qualitätsverluste, wie ihr geringer Anteil an organischen Substanzen belegt.
- 60.000 bis 400.000 Tonnen Mikroplastik kommen nach Hochrechnungen pro Jahr auf Europas Äcker, ausgebracht über mehrere Hunderttausend Tonnen Klärschlamm.
70.000 Quadratkilometer der Böden in der Ostsee gelten als biologisch tot. Ursache: Hohe Phosphat- und Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft.
Degradierte Böden oder «Totes Land»
Europas Böden stehen unter Stress. Durch chemische Dünge- und Spritzmittel, Übernutzung und Erosion schwindet ihre Lebendigkeit. Der Fachbegriff dafür lautet Degradation. Laut FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, enthalten die meisten Böden zwischen zwei und zehn Prozent Humus. Wir nutzen diese dünne Schicht so, als wäre sie eine unerschöpfliche Quelle und verlieren dabei jährlich über 20 Milliarden Tonnen fruchtbaren Boden.
Der Boden selbst möchte eigentlich immer mit Pflanzen bedeckt sein, doch gewähren wir ihm diesen Schutz nicht. Deshalb haben Wind und Wasser ein leichtes Spiel mit großen, nackten Ackerflächen. Sie erodieren den Boden, wehen die fruchtbare Schicht in großen Staubwolken davon oder spülen sie weg.
Die Folgen von degradierten Böden
Andere Flächen wiederum werden bebaut und versiegelt – und somit unwiederbringlich zerstört. Überweidung und Waldrodung verwüsten den Boden im wahrsten Sinne des Wortes. Degradierte Böden können ihre vielfältigen Funktionen nicht mehr erfüllen. Sie verlieren ihre Fähigkeit, Regenwasser aufzunehmen und in die Tiefe zu leiten. Über die Folge berichten die Medien Jahr für Jahr: Der Grundwasserspiegel sinkt.
- 2.000 Millionen Hektar Boden sind weltweit von Degradation betroffen, die vom Menschen verursacht wurde.
- 970 Millionen Tonnen fruchtbarer Boden werden in der EU jedes Jahr durch Starkregen weggeschwemmt.
- ¼ der weltweit ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Böden ist bereits schwer geschädigt oder verwüstet.
- 4 Millionen Hektar, vor allem im Mittelmeerraum und in den osteuropäischen Ländern, sind von Bodenversalzung betroffen.
- 60 Hektar unbebaute Fläche werden allein in Deutschland jeden Tag in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt – das sind fast 31.000 Fußballfelder im Jahr.
Industrielle Landwirtschaft: Raubbau am Boden
Saftig grüne Wiesen, wogende Getreidefelder, prächtig wachsender Mais und gelber Raps soweit das Auge reicht. Doch der Schein trügt: Die Üppigkeit auf den Feldern sagt nichts aus über den Zustand der Böden darunter. Längst sind sie nicht mehr die nährstoffreiche Grundlage für gesundes Pflanzenwachstum. Denn statt ökologische Prozesse zu nutzen, setzen industrielle Agrarsysteme synthetische Mittel ein. Natürliche Mechanismen der Schädlingsbekämpfung, wie sie Bodenbakterien und Regenwürmer leisten, werden durch Pestizide ersetzt. Das natürliche Nährstoffrecycling gegen Düngemittel ausgetauscht. Monokulturen, Pflügen und Düngen können zwar kurzfristig die Ernteerträge steigern, auf lange Sicht leidet aber die Bodengesundheit und die Fruchtbarkeit. Er stirbt nach und nach ab und verkommt zum bloßen Haltesubstrat.
- 1.400 Millionen Hektar Ackerland gibt es etwa auf Erden.
- 10 Millionen Hektar wertvoller Ackerfläche gehen jedes Jahr verloren.
- 16,7 Millionen Hektar Fläche werden in Deutschland landwirtschaftlich genutzt.
- 7,8 Prozent beträgt der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche.
Text: Susi Lotz
Quellen:
Bodenatlas 2015, Der Boden (Susanne Dohrn), Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, Deutsche Welle, Deutscher Landwirtschaftsverlag, Deutschlandfunk, Energiewende-Magazin 6/2020, Europäische Umweltagentur, FiBL, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Julius Kühn-Institut, Kreo 01/2020, Max-Planck-Gesellschaft, Nature & More, oekolandbau.de, Saatgut (Anja Banzhaf), Save Our Soils, Slow Food, Statista, Stiftung Wissenschaft und Politik, Umweltbundesamt, Was ist und wie entsteht Humus? (Schnug / Haneklaus), World Ocean Review, WWF, Zukunftsstiftung Landwirtschaft (Wege aus der Hungerkrise, 2013)