Sich ausgewogen zu ernähren, ist die Basis für ein gesundes Leben
Gute Ernährung steigert unser Wohlbefinden
„Ich ernähre mich gesund“ – diesen Satz hört die Apothekerin und Ernährungsberaterin Antje Behrendt oft. Doch das vielfältige Angebot, aus dem man sich optimal zu bedienen glaubt, kann täuschen. Ein Gespräch über nährstoffarme Böden, Transportwege von Nahrungsmitteln und Mikronährstoffe.
Antje Behrendt, ist eine ausgewogene Ernährung die Basis für ein gesundes Leben?
Antje Behrendt: Auf jeden Fall. Die „Global Burden of Disease Study" (Siehe auch Healthdata), einer der umfangreichsten Datensätze in der Geschichte der Ernährungswissenschaften, hatte das Ziel herauszufinden, welche Risikofaktoren weltweit, aber auch in einzelnen Ländern, zum frühzeitigen Auftreten von Erkrankungen und Todesfällen führen. Zwischen 2009 und 2019 zeigt sich, dass die Top Ten dieser Risikofaktoren hauptsächlich ernährungsbedingt sind. Das heißt: Sie wären vermeidbar, wenn anders gegessen werden würde.
Wie sieht eine gesunde Ernährung heute aus?
AB: Eigentlich nicht so anders als früher. Wenn wir wieder so essen würden, wie es unsere Vorfahren getan haben – also auf Basis von regionalem und saisonalem, frischem Gemüse und Obst, von Nüssen, Samen, Vollkorn, Hülsenfrüchten. Und gegebenenfalls ab und zu auch Bio-Fisch und hochwertiges Bio-Fleisch als Sonntagsbraten und nicht täglich, dann wären wir schon relativ gut versorgt.
Ist das nicht die halbe Wahrheit? Früher gab es in den Wintermonaten oft nichts Frisches. Nur Getrocknetes, Geräuchertes, Eingelegtes. Heute finden wir das ganze Jahr über ein überwältigendes Angebot.
AB: Hier können wir genauer hinschauen. Es gibt zum Beispiel Methoden, die wir uns wieder angewöhnen sollten, weil sie so gesund sind. Fermentieren zum Beispiel. Durch diesen Vorgang werden Lebensmittel wie Sauerkraut, Joghurt, Kefir oder saure Gurken nicht nur besser verträglich, sondern auch nährstoffreicher. Dazu kommt: Das umfangreiche Angebot heute täuscht gern über die tatsächliche Situation hinweg. Bei Obst und Gemüse kommt es durch lange Transportwege und eine nicht optimale Lagerung teilweise zu Nährstoffverlusten. Zum anderen gibt es Hinweise, dass die Böden heute durch Monokulturen belastet und damit nährstoffärmer sind als früher. In Fachkreisen nennen wir es Nährstoffverdünnung, wenn wir zwar ausreichend Obst oder Gemüse und andere nährstoffreiche Lebensmittel essen, aber erstaunlicherweise trotzdem nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden. Nicht selten kommt es heute zu dieser paradoxen Situation: Wir sind überernährt, was die Kalorien angeht, aber unterversorgt, was die Mikronährstoffe angeht.
Wo haben wir uns da Falsches angewöhnt und sollten umdenken?
AB: Eine schlechte Gewohnheit ist der Gang zum Imbiss an der Ecke oder zum Schnellbäcker. In dem, was wir dann essen, sind oft kaum Nährstoffe enthalten. Viele greifen außerdem zu ungesunden Getränken wie Softdrinks, die weder in der gezuckerten Variante noch als Light-Version zu empfehlen sind. Eine gute Option sind Smoothies: selbst zubereiten und gleich frisch trinken. Smoothies sind besser als Saft, da die Früchte nicht ausgepresst, sondern fein zerkleinert werden. Sie enthalten viele Ballaststoffe und auch sekundäre Pflanzenstoffe.
Gibt es Menschen oder Regionen an denen wir uns in Sachen Ernährung orientieren können?
AB: Ein gutes Vorbild sind die so genannten Blue Zones. Das sind fünf Gebiete weltweit, bei denen man gesehen hat: Hier werden die Menschen am ältesten und die gesunde Lebensspanne, in der diese Menschen fit und gesund sind, hält am längsten an. Eine Region in Griechenland gehört dazu, ein Gebiet in Costa Rica, eines in Sardinien sowie Okinawa, die Inselgruppe in Japan. In allen diesen Regionen ist der Anteil an frischer, regionaler, wenig verarbeiteter und pflanzlicher Kost hoch. Je frischer die Ernte, desto höher die Konzentration an Mikronährstoffen. Und an dieser Stelle wird es spannend: Exotisches von weit her zu importieren, macht in vielen Fällen in punkto Nährstoffdichte weit weniger Sinn als das zu verzehren, was in der eigenen Heimat wächst. Im Zweifel würde ich die regional angebauten Blaubeeren den importierten Açai-Beeren vorziehen. Aus Nachhaltigkeitsgründen sowieso. Sowohl bei Frischem als auch bei Haltbargemachtem und bei Nahrungsergänzungsmitteln lege ich großen Wert auf Bio.
Wie finde ich heraus, was ich brauche?
AB: Zu Beginn meiner Beratungen sprechen wir anhand eines Ernährungstagebuchs ganz genau durch, was in den letzten Tagen gegessen wurde. Viele meinen, sich gut zu ernähren – da kommt es immer wieder zu Überraschungen. ‚Ich esse viel Obst und Gemüse‘, höre ich. Und tatsächlich ist es gar nicht so viel wie gedacht, nicht mal die Mindestmenge an Ballaststoffen wird erreicht. Die Überraschung kann sich auch umgekehrt einstellen. Manchmal muss nur ein bestimmter Mikronährstoff zugeführt werden, und die Vitalität kehrt zurück.
Nahrungsergänzungsmittel können eine sinnvolle Ergänzung im Rahmen der allgemeinen täglichen Ernährung sein. Für alle, die in herausfordernden Phasen einen erhöhten Nährstoffbedarf haben und ihren Körper unterstützen möchten.
Worauf achten Sie bei Nahrungsergänzungsmitteln?
AB: Neben der Zusammensetzung spielt die Qualität der enthaltenen Nährstoffe eine große Rolle. Wie bei Lebensmitteln kann man auch hier zwischen unterschiedlichen Produkten wählen. Es gibt sie auch in Bio-Qualität, die im Optimalfall anstelle synthetisch hergestellter Vitamine die Pflanzenextrakte mit den enthaltenen Vitaminen als Gesamtpaket enthalten und damit auch sekundäre Pflanzenstoffe, die eine sehr vielfältige Wirkung haben.
Stimmt es, dass synthetische Vitamine besser vom Körper aufgenommen werden?
AB: Eher im Gegenteil. In den meisten Fällen ist es so, dass natürlich gewonnene Mikronährstoffe besser vom Körper aufgenommen werden. Oft spielen auch die sekundären Pflanzenstoffe, die meist nicht auf der Packung mit einer Wirkung angepriesen werden dürfen, eine wichtige Rolle zur Verstärkung der Wirkung. Am Beispiel Brokkoli konnte das beeindruckend gezeigt werden: Gibt man das im Gemüse enthaltene wertvolle Sulforaphan isoliert, ohne die anderen im Brokkoli enthaltenen Stoffe und Vitamine, ist die gesundheitsfördernde Wirkung viel schwächer, als wenn man es aus dem ganzen Brokkoliextrakt aufnimmt.
Etwas wegnehmen ist also keine gute Idee?
AB: Nein, gar nicht. Ein gutes Nahrungsergänzungsmittel setzt ganzheitlich an. Schon allein aus der Erkenntnis, dass wir noch längst nicht alles über die Hunderttausende von verschiedenen sekundären Pflanzenstoffe wissen, die es gibt. Sehen wir es so: Die Natur hat das schon richtig gemacht. Sie hat etwas Gutes hergestellt - wieso sollte es besser sein, sich Teile heraus zu nehmen oder diese künstlich nachzumachen?
Tipps: So kann sich die Ernährung auswirken auf…
… das Immunsystem
Unser Immunsystem ist sehr komplex. Sämtliche biochemische Abläufe sind von Mikronährstoffen abhängig. Liegen diese in zu geringen Mengen vor, kommt es zu einer Schwächung. Eine besonders große Rolle spielen Vitamin C, Zink, Selen, Vitamin A oder Beta Carotin, aber auch viele sekundäre Pflanzenstoffe mit antiviraler oder antibakterieller Wirkung. Auch das Sonnenvitamin, Vitamin D, das an fast allen Stoffwechselvorgängen beteiligt ist. Ballaststoffe sind Nahrung für unsere nützlichen Darmbakterien, die stark an der Abwehr gegen krank machende Erreger beteiligt sind. Wahre Immun Booster wegen ihres hohen Vitamin C-Gehalts sind Beeren und Paprika. Nüsse und Hülsenfrüchte sind hervorragende Zinklieferanten.
… den Schlaf
Aufputschende oder munter machende Lebensmittel wie Kaffee, schwarzer und grüner Tee oder Guarana – auch als natürlicher Wachmacher bekannt - sollten ein paar Stunden vor dem Schlafengehen vermieden werden. Es gibt auch Lebensmittel, die den Schlaf fördern können und eine beruhigende Wirkung haben. Beliebt sind Kräutertees wie Lavendel, Baldrian oder Passionsblume. Eine entspannende Wirkung hat auch Magnesium, welches in Kürbiskernen, Sonnenblumenkernen, Sesam und Hülsenfrüchten vorkommt. Grundsätzlich ist es besser, vor dem Schlafen nicht so viel zu essen, eher kleinere, gut bekömmliche Mahlzeiten, die nicht so schwer im Magen liegen. Fettige Speisen, Alkohol und Süßigkeiten können die Schlafqualität verschlechtern.
… die Energie
Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte wirken sich am günstigsten auf unsere Energie aus. Entscheidend ist weniger die Energiezufuhr – das berühmte Stück Traubenzucker, das allerdings nur kurzfristig wirkt – als die Mikronährstoffdichte. Nur wer insgesamt gut versorgt ist, fühlt sich vital und leistungsfähig. Unser Energiestoffwechsel ist sehr komplex und ist von einer Vielzahl an Mikronährstoffen abhängig, die wir nicht selbst herstellen können, sondern über Nahrung aufnehmen müssen. Den benötigten Zucker als einen der Ausgangsstoffe des Energiestoffwechsels können wir dagegen auch aus unserem Körperfett gewinnen und müssen ihn nicht zwangsläufig ständig über die Nahrung zuführen.
… Haare, Wimpern, Nägel
Für ein gutes Wachstum ist der Organismus auf eine ständige ausreichende Zufuhr an Substanzen angewiesen. Keratin ist die Grundsubstanz der Haare und auch Strukturprotein der Haut und Nägel. Für seine Bildung benötigen wir das B-Vitamin Biotin, das zum Beispiel in Nüssen, Haferflocken und Sojabohnen vorkommt. Auch Silicium und Selen sind wichtig für schöne Haare und Nägel. Silicium ist in Hirse enthalten, ebenso Zink, das ebenfalls für gesunde Nägel und Haare wichtig ist. Zink befindet sich auch in Sesam, Kürbiskernen und anderen Kernen, Hülsenfrüchten, Haferflocken und in Fleisch. Selen kommt in Hülsenfrüchten wie Kichererbsen, Steinpilzen und Paranüssen vor.
Antje Behrendt @healthybites.blog
Ernährungsberaterin und Apothekerin
Antje beschäftigt sich seit 15 Jahren leidenschaftlich mit gesunder Ernährung! Für ihren Blog zaubert sie leckere vegane Gerichte und bietet viel Inspiration im Bereich gesunder Ernährung.