Zeit für die individuelle Entwicklung
Wahrscheinlich haben Sie auch schon einmal den Spruch gehört: “Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.” Gerade im Leben mit Kindern ist dies ein ganz bedeutender Sinnspruch, denn jedes Kind hat sein ganz individuelles Entwicklungstempo. Durch eine gezielte Förderung wollen Eltern ihrem Kind etwas Guts tun, doch auch wir Erwachsene sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Bedürfnisse.
Entwicklung findet auf vielen Ebenen statt
Oft fallen uns besonders die sichtbaren und leicht bewertbaren Aspekte der Entwicklung ins Auge: Ab wann das Kind durchschläft, wann es keine Windeln mehr braucht, wann es die ersten Worte sagt oder wann es laufen kann. Doch die kindliche Entwicklung besteht auch aus weiteren Dimensionen: Soziale Kompetenzen, dem Spielen oder auch die Fähigkeiten zur selbständigen Körperpflege. Ist unser Kind in einem Bereich nicht so weit wie andere gleichaltrige Kinder, gleicht es dies vielleicht in einem anderen Bereich aus - wir müssen nur genau hinsehen. Wenn Eltern denken, das Kind könnte sich zu langsam entwickeln, lohnt es sich, sich die Zeit für eine genaue Beobachtung zu nehmen und alle Aspekte der kindlichen Entwicklung zu betrachten. Oft merken wir dann, wie besonders unser Kind ist und dass es seine ganz eigenen Kompetenzen hat.
Fördern oder fordern?
Wenn wir das Gefühl haben, das Kind ist in seiner Entwicklung langsamer als andere, geraten Eltern schon mal in Versuchung, dies auszugleichen zu wollen. Schon für die Kleinsten gibt es diverse Spiele, Kurse und Bücher, die dort fördern sollen, wo das Kind vermeintlich anderen hinterher ist. Man möchte sein Kleinkind in seiner Entwicklung fördern und ihm helfen, seine motorischen Fähigkeiten auszubauen, man möchte, dass es die ersten Schritte früh macht, dass es gut sprechen lernt und so weiter. Doch selektives Fördern hilft Kindern meistens nicht. Wichtig ist es, immer das Kind als Ganzes im Blick zu haben. Viele Entwicklungen, die langsam verlaufen, werden mit der Zeit aufgeholt. Statt besondere Angebote und künstliche Lernsituationen zu schaffen, sollten wir im Alltag darauf achten, dass das Kind altersangemessene Herausforderungen bewerkstelligen und sich erproben kann: Kleinkinder müssen die Chance haben, laufen zu können, auch draußen. Um den Wortschatz auszubauen, sollten wir viel mit dem Kind reden, geduldig zuhören und es aussprechen lassen. Vorlesen kann schön sein, aber sie müssen es nicht mit der Frühförderung übertreiben: Natürlich können Sie Ihr Kind spielerisch fördern, aber nur wenn es Spaß und Neugier zeigt. Wenn Ihr Kind zum Beispiel nicht gerne ins Schwimmen geht, sollte es dies auch nicht müssen.Um die Feinmotorik auszubilden, sollten Kinder frei malen dürfen, ohne eine Bewertung oder Kommentare. Sollte es tatsächlich behandlungsbedürftige Verzögerungen geben, die in einer der U-Untersuchungen zum Vorschein kommen, kann gehandelt werden. Kinderärzte/Kinderärztinnen können dann zu geeigneten Fachleuten überweisen.
Auch wir Eltern sind individuell
So wie jedes Kind seine individuelle Entwicklungszeit hat, ist es auch bei uns Erwachsenen: Auch wir wachsen in die Elternschaft hinein und bei Müttern sind auch die Rückbildungszeiten sehr individuell. Manche Mutter hat schon kurz nach der Geburt ihre ursprüngliche Kleidergröße zurück, andere brauchen länger. Nun, nach mehr als einem Jahr nach der Geburt, wünschen sich manche Frauen den alten Körper zurück. Während einige Frauen während der Stillzeit viele Kilos verlieren, fällt es anderen gerade dann schwerer. Wie bei unseren Kindern ist es auch hier wichtig, nachsichtig zu sein: Vergleichen Sie sich nicht mit anderen. Jede Familie hat auch eigene liebgewonnene Rituale und Gewohnheiten. Schauen Sie lieber, dass Sie sich alle gut unterstützen können und in jeder Situation füreinander da sind.